Huch, verlaufen!
Einen Monat nach der offiziell letzten GreenFiction-Veranstaltung habe ich endlich meinen Veranstaltungsbericht fertig, juchhu! Um nicht wie bei meinem Lesungsbericht aus Leipzig alle mit der schieren Textlänge in die Flucht zu schlagen, dieses Mal in zwei Etappen. Hier kommt jetzt zuerst Teil 1 meines Tages in Darmstadt:
Auf meiner mentalen Deutschlandkarte gibt es ein paar weiße Flecken. Ich weiß, bei den meisten normalen Menschen steht unter einem dieser weißen Flecken dick und fett Sauerland geschrieben, aber da dieser Bereich auf meiner Karte in bunt und glitzernd erstrahlt, rechtfertigt das meiner Meinung nach meinen weißen Fleck namens Darmstadt. Wenn ich den Namen Darmstadt höre, denke ich an Langeweile, Mief und Tristesse, Vorurteile aufgrund des Klangs. Darm.stadt. Gut, vielleicht liegt es auch an dem Wörtchen Darm.
14.22 Uhr
Donnerstag, 12. Mai 2016, Darmstadt. Ich steige aus dem Zug und sehe erst einmal nur Bahnhof. Meinem zu Hause in aller Eile und aus Mangel an mobilem Internet hingekritzelten Google-Maps-Exzerpts zufolge, muss ich den Westausgang nehmen und einmal um den Bahnhof herumlaufen. Das mache ich. Natürlich ist ein Teil meines herausgesuchten Weges gesperrt. Macht nichts, ich bin spontan. Ich brauche fast eine halbe Stunde, in der sich mein Eindruck von Tristesse und Mief bestätigt, einen Fußmarsch über eine Brücke und einen Beinahezusammenstoß mit einer Tram, bis ich auf der anderen Seite des Bahnhofs stehe – und feststelle, dass es auch hier einen Ausgang gibt. Den Hauptausgang.
In zweieinhalb Stunden treffen wir uns
mit Jenny und Sabine von LizzyNet zum Essen auf der Mathildenhöhe. Für meinen
Weg dorthin hatte ich etwa eine Dreiviertelstunde eingerechnet. Plusminus. Eine
halbe ist schon um.
Die Löwenstatuen vorm Hessischen Landesmuseum sehen aus, als müssten sie sich gleich übergeben. Vielleicht schauen sie auch nur wegen des Wetters so angepisst. |
Die Straße, die laut meinen Notizen vom Bahnhof aus an der TU Darmstadt vorbei geradewegs bis zum Restaurant führen soll, existiert nicht. Nicht einmal auf einem Stadtplanausschnitt, den ich an einer Bushaltestelle finde. Aber noch ist Zeit, also laufe ich in Serpentinen durch Darmstadt, immer Richtung Osten. Irgendwann muss ich ja einmal auf die richtige Straße stoßen. Dönerbude reiht sich an Thairestaurant und Lottobüdchen ducken sich schüchtern neben urdeutschen Etablissements. Ich stolpere quasi über den Luisenplatz und erinnere mich vage an die Karte im Internet. Aha. Ich bin auf dem richtigen Weg, aber ein bisschen zu weit südlich gelandet. Egal. Ein, zwei Fotos, und weiter geht’s.
Ich lande mitten auf dem Campus.
Sehr nett, sehr grün, wollte ich eigentlich nicht hin, aber hier kann ich das
W-LAN anzapfen. Kurze WhatsApp an meine GreenFiction-Mitschreiberlinge. Johanna
steckt im Stau. Die Arme. Ich entdecke eine Kneipe mit dem Namen ‚Hobbit‘ und
frage mich unwillkürlich, ob man dort nur Halblinge wie mich bedient, man rund
um die Uhr einen kräftigen Schluck und ein drittes Frühstück bekommt, oder –
grusel – ob man dort gebratenen Hobbit am Spieß serviert – etwa so, wie in
diesen ‚Zum roten Hirschen‘ oder ‚Zur Goldenen Gans‘-Schuppen meist auch
Wildbret die Speisekarte dominiert. Die ‚Hobbit‘-Tür ist jedenfalls ganz
gewöhnlich eckig. Ich straffe meine Muskeln und verlasse angesichts dieser
mangelnden Authentizität das Auenland gen Mordor.
15.25 Uhr
Ha! Ha! Habe die richtige Straße
gefunden! Und sie, meiner eigenen Einschätzung zufolge, schon ungefähre dreiundzwanzig
Mal überquert. Mindestens. Ich verfluche Google Maps. Irgendwie hatten die
vergessen, zu erwähnen, dass besagte Straße im Verlauf etwa dreimal ihren Namen
ändert. Na ja. Gefunden ist gefunden und eine Viertelstunde später stehe ich,
immer noch über eine Stunde zu früh, vorm Treffpunkt, dem Restaurant
‚Rumpelstilzchen‘. Sehr bibliophil, die Darmstädter Gastronomie.
Der Hochzeitsturm der Russischen Kapelle. Wegen seiner fünfgliedrigen Spitze auch "Fünffingerturm" genannt. |
Muss mir irgendwie die Zeit bis zum Treffen vertreiben und schaue mich daher an unserem späteren Veranstaltungsort um. Oben auf der Mathildenhöhe, der Adresse nach ein Gebäude der Universität, direkt gegenüber der Russischen Kapelle und des Hochzeitsturms – die ich einer Hochzeit wegen (noch) nicht genauer inspizieren kann, also setze ich meinen Weg fort. Finde eine interessante, kleine Gartenlandschaft mit Lauben, einer Bühne und einem Workshophäuschen – was auch immer das vorstellen soll, Darmstadt scheint engagiert zu sein, und mein voreiliger erster Eindruck beginnt zu verfliegen.
Wie schön es auf der Mathildenhöhe
ist! Nach einem kurzen Fußmarsch durch ein beschauliches Wohnviertel und über
eine Brücke erreiche ich die Parkanlage Rosenhöhe. Direkt nebenan liegt
eine Künstlerkolonie, und ich bin wieder einmal erstaunt, wie viel Raum Darmstadt
der Kreativität und seinen Kunstschaffenden einräumt.
Nach ein paar Minuten Füße ausruhen
auf einer Bank schlendere ich durch den Park. Und – oh wunderbar, oh Entzücken!
Neben dem Rosarium, einem großzügig angelegten Blumengarten, lauschigen Wegen,
Statuen und Nachbauten von Gebäuden anno dazumals, beherbergt der Park auch
Mausoleen und Grabstätten der Familie des letzten Großherzogs Ernst Ludwig –
Friedhofstourismus live!
16.27 Uhr
Wie gerne hätte ich noch mehr Zeit in diesem wunderschönen Park verbracht. Ich mache mich schweren Herzen und ein klein wenig flatterig auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt, helfe gutmütig noch einer desorientierten Frau, indem ich sie auf den richtigen Weg zur nächsten Bushaltestelle weise, und treffe dann fünf Minuten vor der Zeit vorm 'Rumpelstilzchen' ein. Zwei bekannte Gesichter sind schon da.
Teil 2: Huch, ein Buch! - ein Bericht
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