Als Lily einen Krimi schreiben wollte
„Ich muss mit dir reden.“
So begrüßt mich Lily, als ich mit den Gedanken bei
der Lasagne von gestern und der Bierdose aus dem Kühlschrank die Wohnung
betrete.
„Jetzt?“, frage ich.
„Sonst ist alles zu spät“, bestätigt Lily. Ich
seufze. „Darf ich dabei essen?“
„Natürlich“, erwidert Lily großmütig. In der Küche
hat sie einmal mehr Stifte und Papierstöße auf dem Esstisch verteilt, und ich
überlege, ob ich wohl im Stehen essen muss. Ich stelle den Teller mit der Lasagne
in die Mikrowelle, und Lily scheint meine Absicht zu registrieren, denn sie
räumt einen Teil ihres Papierchaos vom Tisch auf einen der beiden wackligen
Stühle. Sie selbst setzt sich auf den anderen und ich überlege, ob ich groß
genug bin, um auf dem Boden sitzend über die Tischplatte schauen zu können. Die
Mikrowelle piept.
„Ist was?“, fragt Lily, als ich unschlüssig mit dem Teller in der Hand vor dem Tisch stehe. „Ich habe dir da Platz gemacht.“
„Ja“, sage ich. „Danke.“ Ich stelle den Teller ab und setze mich kurzerhand auf Lilys Papierstapel, stehe aber noch einmal kurz auf, um mir Messer und Gabel zu holen. Die Lasagne hat Lily gekocht, gestern, und sie schmeckt hervorragend, wie sie das immer schafft, ist mir schleierhaft.
Lily lässt mich ein paar Gabeln essen, doch ich merke, dass sie mich durchgehend taxiert, also schaue ich auf. Sie grinst und klopft mit einem Stift gegen ihre Zähne, eine Angewohnheit, die mir nur zu vertraut ist.
„Also“, resigniere ich. „Was ist es diesmal?“
Lily legt den Stift ab und kritzelt etwas auf eine
alte Tageszeitung, das mit viel Phantasie eine Pistole darstellen könnte.
„Ein Western?“, rate ich. „Hast du überhaupt Winnetou gelesen?“
„Du etwa?“, fragt Lily spitz.
„Nein“, antworte ich ungerührt und schiebe mir einen großen Bissen Nudeln und Hackfleisch in den Mund.
„Ich schreibe keine Wild-West-Story“, erklärt Lily mir dann. „Peng-peng, piff-paff, der Böse wird erschossen und der Gute bekommt die einsame aber durchsetzungsfähige Witwe. Dass er hinterher unterm Pantoffel steht, erwähnt keiner. Das wäre mal was. Aber nein, mache ich nicht.“ Sie nimmt ihre Brille ab und reibt über ihre Augen. „Ich schreibe einen Krimi.“
„Ach so“, spotte ich. „Piff-paff, peng-peng, da liegt der reiche Unternehmer in seinem Blut, der kluge Kommissar landet mit der jungen Witwe im Bett, fängt drei Verdächtige und muss im Endeffekt doch die raffgierige und mordlustige Witwe verhaften. Dabei bricht sein Herz, aber das ist ihm in seinem Job ja schon öfter passiert und durchaus einträglich. Das schreit natürlich nach einem innovativen Bestseller.“
„Blödnase“, sagt Lily. „Nein, ich will einen richtigen, echten Krimi schreiben, hautnah aus dem Leben eines Psychopathen.“
„Ach so.“ Ich nehme eine weitere Gabel, kaue und schlucke. „Und deswegen wolltest du mit mir sprechen?“ Nächste Gabel.
„Genau.“ Lily zückt einen Kugelschreiber und zieht ein leeres Blatt zu sich heran.
„Ich bin doch kein Psychopath“, entgegne ich, doch es scheint ihr ernst zu sein.
„Es gibt viel mehr Psychopathen, als man denkt“, entgegnet Lily. „Du könntest also gut einer sein.“
„Aha“, entgegne ich lahm und konstruiere in meinem Kopf das Bild, das ich mir selbst immer bei dem Wort Psychopath mache. „Ja. Geh mal im Abstellraum gucken, in der Wand habe ich eine Leiche eingemauert.“
„Ein Western?“, rate ich. „Hast du überhaupt Winnetou gelesen?“
„Du etwa?“, fragt Lily spitz.
„Nein“, antworte ich ungerührt und schiebe mir einen großen Bissen Nudeln und Hackfleisch in den Mund.
„Ich schreibe keine Wild-West-Story“, erklärt Lily mir dann. „Peng-peng, piff-paff, der Böse wird erschossen und der Gute bekommt die einsame aber durchsetzungsfähige Witwe. Dass er hinterher unterm Pantoffel steht, erwähnt keiner. Das wäre mal was. Aber nein, mache ich nicht.“ Sie nimmt ihre Brille ab und reibt über ihre Augen. „Ich schreibe einen Krimi.“
„Ach so“, spotte ich. „Piff-paff, peng-peng, da liegt der reiche Unternehmer in seinem Blut, der kluge Kommissar landet mit der jungen Witwe im Bett, fängt drei Verdächtige und muss im Endeffekt doch die raffgierige und mordlustige Witwe verhaften. Dabei bricht sein Herz, aber das ist ihm in seinem Job ja schon öfter passiert und durchaus einträglich. Das schreit natürlich nach einem innovativen Bestseller.“
„Blödnase“, sagt Lily. „Nein, ich will einen richtigen, echten Krimi schreiben, hautnah aus dem Leben eines Psychopathen.“
„Ach so.“ Ich nehme eine weitere Gabel, kaue und schlucke. „Und deswegen wolltest du mit mir sprechen?“ Nächste Gabel.
„Genau.“ Lily zückt einen Kugelschreiber und zieht ein leeres Blatt zu sich heran.
„Ich bin doch kein Psychopath“, entgegne ich, doch es scheint ihr ernst zu sein.
„Es gibt viel mehr Psychopathen, als man denkt“, entgegnet Lily. „Du könntest also gut einer sein.“
„Aha“, entgegne ich lahm und konstruiere in meinem Kopf das Bild, das ich mir selbst immer bei dem Wort Psychopath mache. „Ja. Geh mal im Abstellraum gucken, in der Wand habe ich eine Leiche eingemauert.“
Lily schreibt etwas auf ihren Zettel. –Lügner kann ich lesen.
„Hey… das war doch nur Ironie!“
„Wer, dein Mordopfer?“
„Oh… Lily!“
Anklagend deutet Lily auf meine fast aufgegessene Lasagne. „Und das Tier, das du da isst?“
„Was soll damit sein?“, frage ich. „Ich glaub, das hier war mal zur Hälfte Schwein und zur Hälfte Rind.“
Lily ist Vegetarierin. Wenn sie kocht, dann immer zweimal, gestern hat sie für sich eine Gemüselasagne gekocht und für mich eine leckere. Wie sie meine würzt und so hervorragend abschmeckt, ohne sie zu probieren, bleibt ihr Geheimnis.
„Würdest du das auch essen, wenn du ein Ochse wärst?“
„Nein, dann wäre ich Primärkonsument.“
„Wenn du ein Schwein wärst?“
„Wer kocht denn einem Schwein Lasagne?“
Lily rollt die Augen. „Die armen Tiere wurden erst gemästet und dann umgebracht. Und ausgeweidet. Und aufgehängt, ausgeblutet, zerhackt…“
„So sind sie auch viel mundgerechter“, kontere ich. Lily schreibt –zeigt kein Mitgefühl auf ihren Block.
„Ich habe sehr wohl Mitgefühl!“, brause ich auf. „Aber wofür habe ich denn noch so etwas wie Reißzähne? Kleine, ja. Aber trotzdem. Zum Kohlrabimümmeln? Und wer hat das arme Schwein denn gestern noch in die Pfanne gehauen?“
Lily wird bleich. „Oh“, sagt sie.
„Ja, oh. Herzlich Willkommen im Psychopathenclub“, sage ich und kratze den Teller leer. Lily stützt den Kopf in die Hände. „Ich bin eine Psychopathin!“, jammert sie. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Lilys Verzweiflungsphasen nie von langer Dauer sind, dazu ist sie zu optimistisch. Tatsächlich hellt sich ihr Gesicht kurz darauf auf.
„Dann kann ich ja jetzt loslegen!“
„Womit?“
„Mit meinem Krimi! Ein Buch aus der Sicht einer Psychopathin, das wird der Renner!“ Sie strahlt mich so glücklich an, dass ich beim besten Willen nichts erwidern kann. Außer „Ist es normal, dass Psychopathen sich regelmäßig betrinken?“
Lily zuckt die Schultern. „Aus langjähriger Psychopathenerfahrung kann ich dir sagen, dass das nicht immer der Fall ist, aber immer öfter mal vorkommt.“
„Okay.“ Ich gehe zum Kühlschrank, nehme eine
Bierdose heraus, öffne sie und genieße das verheißungsvolle Zischen. „Dann
schreib mal los.“
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